OLG: 19249 Bürger kämpfen um ihr Gericht
Protest Sozialdemokraten überbringen Beck den Protest von Volkes Stimme – Regierungschef fordert mehr Respekt
Von Ursula Samary
Der Streit über die Verlegung von Oberlandesgericht (OLG) und Generalstaatsanwaltschaft Koblenz nach Zweibrücken hat Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nun auch direkt erreicht: 19 249 Unterschriften von Bürgern und Bürgerinnen, darunter auch Pfälzer, wollen ihr Gewicht einbringen, den rot-grünen Regierungsplan zu überdenken.
Eberhard Schulte-Wissermann (SPD), Koblenzer Alt-Oberbürgermeister und Vorsitzender des Vereins „Pro Justiz Rheinland“, und OLG-Richterratsvorsitzender Peter Itzel (SPD) haben den dicken Stapel mit Schleife überreicht. Damit macht Kurt Beck in seiner letzten Amtszeit noch eine ziemlich neue Erfahrung: Unterschriften hat er schon viele erhalten. Aber diesmal sind es zwei Sozialdemokraten, die dem SPD-Regierungschef den Protest überbringen. „Das ist Demokratie“, meinen Schulte-Wissermann und Itzel nur, die „kluge und weise Politiker“ von dem „Unterfangen“ abhalten wollen.
Beck ist anzumerken, dass er innerlich kocht. Justizminister Jochen Hartloff (SPD) steht wie versteinert neben ihm. Schulte-Wissermann kommt direkt zur Sache: „Wir sind alle davon überzeugt, dass die Operation mehr kostet als einspart.“ Das Argument, wegen der gesetzlichen Schuldenbremse das OLG und die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz zu verlagern, „ist nicht schlüssig erklärt“. Im Gegenteil: Er sieht in der geplanten Fusion „einen Angriff auf die Schuldenbremse“. „Pro Justiz Rheinland“ bietet an, mit seinen Experten gezielt nach wirklichen Einsparmöglichkeiten zu suchen. Itzel rechnet mit Kosten von mehreren Hunderttausend Euro pro Gerichtssenat, der nach Zweibrücken verlagert wird. „Deshalb ist das vollkommener Unsinn.“ Er betont auch Volkes Stimme. „Wir mussten den Unterschriften nicht groß hinterherlaufen. Dies ist auch nur eine erste Lieferung.“
Becks Unmut ist nicht zu überhören, wenn er von Kritikern mehr Respekt fordert. Beck: „Wir werden das respektieren, was hier steht, aber wir erwarten auch Respekt für unsere Argumente. Diesen Respekt konnte ich bisher in keiner Weise auch nur andeutungsweise wahrnehmen.“ Dabei stellt er auch wieder klar, dass die Politik eben die Organisationsgewalt über die Justiz hat und er am Koalitionsvertrag festhalten will. Immerhin: Er nimmt das Angebot fürs konstruktive Gespräch an und nimmt sich sofort gute 80 Minuten Zeit dafür.
Der Dialog hat die Standpunkte nicht verändert. Deshalb muss Beck weiter mit Widerstand rechnen. Aber für Schulte-Wissermann beginnt „ein Prozess“, in dem aus seiner Sicht am Ende die Argumente siegen müssen. Itzel kündigt an, dass der Verein, dem Juristen wie Unternehmer, alle Kammern und viele Bürger angehören, auch mit den Abgeordneten reden wird.
Rh.-Lahn-Ztg. Bad Ems vom Dienstag, 5. Juli 2011, Seite 3